Wenn am Berufskolleg Nistkästen und Insektenhotels gebaut werden, denkt man vermutlich zunächst an ein Projekt im Fach Holztechnik. Doch weit gefehlt: ganz aktuell haben sich die Auszubildenden des Einzelhandels theoretisch und praktisch mit der Sicherung biologischer Vielfalt auseinandergesetzt und zum nachhaltigen Verständnis einige Behausungen für Insekten und Vögel rund ums BKB errichtet.
„Seit einiger Zeit ist das Unterrichtsfach Nachhaltigkeit im Fächerkanon des Einzelhandels fest implementiert, denn Nachhaltigkeit ist eines der großen Themen der nächsten Jahrzehnte, das die Wirtschaft radikal verändern wird und insbesondere für jüngere Generationen immer mehr an Bedeutung gewinnt“, erläutert Bildungsgangleiter Klaus Lohmann, für den Schule ein perfekter Ort ist, nicht nur Wissen rund um Nachhaltigkeit zu vermitteln, sondern ein Bewusstsein und Handlungsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler zu schaffen.
Gemeinsam mit Fachkollegin Sandra Tavilla und den Klassen EH21A und EH21B wurden daher Insektenhotels und Nistkästen entweder individuell und kreativ gebaut oder zumindest günstig angeschafft und an Bäumen und anderen sinnvollen Plätzen installiert.
„Besonders den Mauerbienen kommt durch ihre Bestäubungsleistung eine tragende Rolle bei der Sicherung biologischer Vielfalt und von Nahrung für Säugetiere, Vögel und andere Lebewesen zu – und letztlich auch für die Menschen“, verdeutlicht Sandra Tavilla den weiteren Bildungsgangbezug. „Wie würde ein Supermarkt ohne Bienen aussehen? Ein Drittel aller Produkte würde es nicht mehr im Supermarkt geben. Bei diesem Projekt sehen die Azubis wie sehr vieles zusammenhängt.“
Damit spielt Tavilla darauf an, dass nicht nur viele Obst- und Gemüsesorten von der Bestäubung durch Bienen und Insekten abhängig sind. Auch Kaffee, Kakao, Schokolade, Fertiggerichte, Tiefkühlkost, Säfte, Pflegeprodukte und sogar Weingummi würde es kaum oder gar nicht mehr geben. „Tiefkühl-Pizzen beispielsweise beinhalten Sonnenblumenöl, für dessen Gewinnung bestäubt werden muss. In Deos, Cremes und Spülungen sind pflanzliche Inhaltsstoffe etwa aus Zitrusfrüchten oder Shea-Butter enthalten. Gummibärchen sind mit Bienenwachs beschichtet, damit sie nicht aneinanderkleben. Und so weiter, und so fort“, so die Nachhaltigkeitsexpertin.
Und weil Verbraucher zunehmend kritischer werden, Fragen zur Nachhaltigkeit der Produktion stellen und hohe Erwartungen an die Unternehmen haben, müssen die Verkäufer auch dafür adäquat geschult und befähigt sein darüber Bericht zu erstatten. „Mit der EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen - Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD - die am 5. Januar 2023 in Kraft getreten ist, haben sich die Anforderungen nochmals deutlich geändert: Mehr Unternehmen werden rechtlich verpflichtet anhand verbindlicher EU-Standards umfassend über Nachhaltigkeitsaspekte in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung Bericht erstatten zu müssen“, bringt Lohmann eine weitere Komponente ins Spiel.
„Deshalb üben unsere Azubis bereits heute über nachhaltige Aktivitäten wie das Ausstellen der Vogelhäuser und der Insektenhotels zu berichten und auf kritische Fragen der Verbraucher kompetent reagieren zu können. Dieses Projekt würde im Rahmen der Berichterstattungspflicht unter den Aspekt ‚Schutz gesunder Ökosysteme und Biodiversität‘ fallen.“
Emirhan Alan, Auszubildender bei Lidl, war mit viel Freude bei der Sache: „Durch die Kombination von Theorie und Praxis verstehen wir die komplexe Thematik und vor allem erschaffen wir selber etwas im eigenen Umfeld.“